In Kafkas Elternhaus wurde überwiegend Deutsch gesprochen, mit dem Dienstpersonal sowie mit den Angestellten und Kunden im familieneigenen Geschäft jedoch häufig auch Tschechisch (bzw. ›Böhmisch‹, wie man damals noch sagte). Kafka wuchs also im Grunde zweisprachig auf, konnte sich allerdings – wie schon seine Eltern – im Deutschen flüssiger und differenzierter ausdrücken. Da es im Prager Geschäftsleben von großem Vorteil war, sich in beiden Sprachen bewegen zu können, legte die Familie Wert darauf, dass Franz während der Schulzeit seine Tschechischkenntnisse noch verbesserte. Ohrenzeugen zufolge soll Kafka Tschechisch mit leicht deutschem Akzent gesprochen haben.
Die beiden wichtigsten Fremdsprachen auf dem Gymnasium waren Latein und Griechisch. Der Unterricht war hier sehr intensiv (Latein mit bis zu 8 Wochenstunden), und den Schülern wurden sogar Übersetzungen aus dem Deutschen in die alten Sprachen abverlangt.
Auf lebende Sprachen wurde weit weniger Nachdruck gelegt, Unterricht in Französisch hatte Kafka nur vier Jahre lang (2 Wochenstunden). Im Jahr nach Kafkas Abitur stellten seine Eltern eine Erzieherin ein, deren Muttersprache Französisch war, ansonsten hatte er wahrscheinlich nur selten Gelegenheit zu französischer Konversation. Er war imstande, französische Literatur im Original zu lesen, musste aber seine beiden Reisen nach Paris (1910/11) durch privaten Unterricht vorbereiten.
Während seiner Tätigkeit bei der ›Assicurazioni Generali‹ (Oktober 1907 bis Juli 1908) lernte Kafka Italienisch, da er erwartete, nach Triest, dem Hauptsitz der Versicherungsgesellschaft, versetzt zu werden. Außerdem besaß er Grundkenntnisse in Englisch, die er wahrscheinlich in einem kostenlosen Kursus der ›Lese- und Redehalle deutscher Studenten in Prag‹ erworben hatte, die sich jedoch mangels Übung wieder verflüchtigten.
Das biblische Hebräisch lernte Kafka bereits im gymnasialen Religionsunterricht kennen. Mit dem modernen Hebräisch beschäftigte er sich intensiv und sehr systematisch ab 1917: zunächst im (heimlichen) Selbststudium, dann in regelmäßigen Privatstunden, die er zeitweilig gemeinsam mit Max Brod und Felix Weltsch besuchte. Trotz der langen Unterbrechungen durch seine Tuberkuloseerkrankung war Kafka schließlich imstande, einfache hebräische Texte zu lesen und Briefe auf Hebräisch zu verfassen. Ob er auch zur flüssigen Konversation fähig war, wie sein Hebräischlehrer Georg Langer später behauptete, ist umstritten.
Quellen: Marek Nekula, ›Franz Kafkas Sprachen und Sprachlosigkeit‹, in: brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien–Slowakei, Neue Folge Bd. 15 (2007), S. 99-130. Marek Nekula, Franz Kafkas Sprachen, Tübingen 2003.