Else Bergmann
Erinnerung
für F. K.
Ich habe vielerlei Männer genossen
Neugier des Leibes und heißer Drang
Doch einmal nur himmlischen Grund getroffen
In dieses Lebens jagender Zeit
Es war ein Hauch, kaum wars ein Kuss
Es traf ein leichter, goldner Strahl mein Herz
Ein einzig, winzig-kleiner Augenblick,
Hat meinem ganzen Leben Licht gebracht,
Und deine Worte: Freundschaft, Güte tragend
vielleicht – Unsterblichkeit.
Das undatierte Gedicht Else Bergmanns, der Ehefrau von Kafkas Schulfreund Hugo Bergmann, ist eine der wenigen überlieferten Äußerungen, in denen Frauen ihre Gefühle gegenüber Kafka bekennen. Dabei ist seinen Briefen und Tagebüchern sowie den Berichten von Zeitgenossen deutlich genug zu entnehmen, dass der charmante und gut aussehende Kafka bei Frauen – vor allem bei jüngeren – recht häufig schwärmerische Emotionen auslöste. Mehrere Frauen – darunter Felice Bauer, Milena Jesenská, Dora Diamant und deren Freundin Tile Rössler – haben Kafka nach dessen Tod idealisiert und verklärt.
Else Bergmann (1886-1969) war die Tochter von Berta Fanta, die im Haus ›Zum Einhorn‹ am Altstädter Ring einen literarischen Salon unterhielt. Hier verkehrte zeitweilig auch Kafka, und vermutlich war er mit Else Fanta schon bekannt, noch ehe sie ihren späteren Ehemann Hugo Bergmann (1883-1975) kennenlernte. Mit Bergmann, dem engagierten Zionisten, emigrierte sie 1919 nach Jerusalem. 1923, während eines Aufenthalts in Prag, versuchte sie Kafka dazu zu überreden, mit ihr nach Palästina zu reisen, doch die geplante Fahrt scheiterte letztlich an Kafkas schlechtem gesundheitlichen Zustand.
Else Bergmann hat noch einige weitere Gedichte verfasst, die sich auf Kafka beziehen, darunter ein ›Gebet am Grabe Kafkas‹. Ihr Nachlass befindet sich heute im Leo Baeck Institute, New York.
Quelle: Georg Gimpl, Weil der Boden selbst hier brennt … Aus dem Prager Salon der Berta Fanta (1865-1918), Prag/Furth im Wald 2001, S. 28, 309 und 350.