Felice Bauer wurde am 18. November 1887 in Neustadt (Oberschlesien) geboren. Ihr Vater Carl Bauer (geb. um 1850, gest. 1914) war Versicherungskaufmann, ihre Mutter Anna, geb. Danziger (1849–1930), war die Tochter eines in Neustadt ansässigen Färbers. Im Jahr 1899 übersiedelte die Familie nach Berlin.
Felice hatte vier Geschwister: Else (1883–1952), Ferdinand (»Ferri«, 1884–1952), Erna (1885–1978) und Antonie (»Toni«, 1892–1918). Else lebte nach ihrer Heirat in Budapest; als Felice sie dort im Jahr 1912 erstmals besuchte, lernte sie bei einem Zwischenaufenthalt in Prag Franz Kafka kennen. Kafka korrespondierte später auch mit Erna, diese Briefe müssen jedoch als verloren gelten. Ein Cousin Felices, der Breslauer Kaufmann Max Friedmann, heiratete Sophie Brod, die Schwester Max Brods.
Felice Bauer schloss ihre Schulausbildung ohne Abitur ab. Sie wurde 1908 Stenotypistin bei der Schallplattenfirma Odeon, 1909 wechselte sie zur Carl Lindström A.G., die Parlographen herstellte, die damals modernsten Diktiergeräte. In kurzer Frist rückte sie in eine verantwortliche Position auf und hatte 1912 wahrscheinlich schon Prokura. Sie war zuständig für den Vertrieb und repräsentierte die Firma auch auf Verkaufsmessen. Im April 1915 trat sie eine Stelle bei der Technischen Werkstätte Berlin an, einem Zulieferbetrieb für Feinmechanik, wo sie ebenfalls zur Prokuristin aufrückte. Auf Anregung Kafkas wurde sie 1916 auch ehrenamtliche Mitarbeiterin des Jüdischen Volksheims, wo sie eine Mädchenklasse mit überwiegend osteuropäischen Flüchtlingen unterrichtete.
Nach der endgültigen Trennung von Kafka heiratete Felice Bauer 1919 Moritz Marasse (1873–1950), den Teilhaber einer Berliner Privatbank. Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter, mit denen sie 1931 in die Schweiz, 1936 nach Kalifornien emigrierten. Da die Familie fast ihr gesamtes Vermögen eingebüßt hatte, musste Felice in den USA wieder arbeiten. Sie eröffnete einen Laden, in dem sie von ihr und ihrer Schwester Else gefertigte Strickwaren verkaufte. Felice Bauer starb am 15. Oktober 1960 in Rye nördlich von New York.
Die Briefe, die sie von Kafka erhalten hatte, musste Felice Bauer in den fünfziger Jahren aus finanziellen Gründen an den Schocken Verlag, New York, verkaufen. 1987 wurden sie an einen bis heute unbekannt gebliebenen europäischen Händler oder Sammler versteigert.
Fotos: S.Fischer Verlag