Pflichten: 1.) Kein Geld, keine Kostbarkeiten besitzen oder annehmen. Nur folgender Besitz ist erlaubt: einfachstes Kleid (im einzelnen festzusetzen), zur Arbeit Nötiges, Bücher, Lebensmittel für den eigenen Gebrauch. Alles andere gehört den Armen.
2.) Nur durch Arbeit den Lebensunterhalt erwerben. Vor keiner Arbeit sich scheuen, zu welcher die Kräfte ohne Schädigung der Gesundheit hinreichen. Entweder selbst die Arbeit wählen oder falls dies nicht möglich sich der Anordnung des Arbeitsrates fügen, welcher sich der Regierung unterstellt.
3.) Für keinen andern Lohn arbeiten als den Lebensunterhalt (im einzelnen nach den Gegenden festzusetzen) für zwei Tage
4.) Mässigstes Leben. Nur das unbedingt Notwendige essen, z. B. als Minimallöhnung, die in gewissem Sinn auch Maximallöhnung ist, Brot, Wasser, Datteln. Essen der Ärmsten, Lager der Ärmsten
5.) Das Verhältnis zum Arbeitgeber als Vertrauensverhältnis behandeln, niemals Vermittlung der Gerichte verlangen. Jede übernommene Arbeit zuendeführen unter allen Umständen, es wären denn schwere Gesundheitsrücksichten dem entgegen
Rechte 1.) Maximalarbeitszeit sechs Stunden, für körperliche Arbeit vier bis fünf
2.) Bei Krankheit und arbeitsunfähigem Alter Aufnahme in staatliche Altersheime und Krankenhäuser
Das Arbeitsleben als eine Angelegenheit des Gewissens und eine Angelegenheit des Glaubens an den Mitmenschen.
Mitgebrachten Besitz dem Staat schenken zur Errichtung von Krankenhäusern, Heimen.
Vorläufig wenigstens Ausschluss von Selbstständigen, Verheirateten und Frauen
Rat (schwere Pflicht) vermittelt mit der Regierung
Auch in kapitalistischen Betrieben, lieber Arme
dort wo man helfen kann, in verlassenen Gegenden, Armenhäusern
Lehrer
Fünfhundert Männer Höchstgrenze
Ein Probejahr
Aus dem ›Oktavheft H‹, entstanden Frühjahr 1918. Abgedruckt in: Beim Bau der Chinesischen Mauer und andere Schriften aus dem Nachlaß, Fischer Taschenbuch Verlag (Bd. 12446), Frankfurt am Main 1994, Seite 221f.
Ob es einen unmittelbaren äußeren Anlass zu diesem politischen Entwurf gab, ist nicht bekannt. Zweifellos bezieht sich Kafka jedoch auf die zionistischen Debatten über neue sozialökonomische Modelle bei der jüdischen Besiedelung Palästinas (siehe die Erwähnung von Datteln als Grundnahrungsmittel). Vor allem zur Frage von Arbeiter- bzw. Siedlungsgenossenschaften erschienen in den Jahren 1917 und 1918 eine Fülle von Beiträgen, u.a. auch in Bubers Zeitschrift Der Jude, die Kafka regelmäßig las.
Zu dem bemerkenswerten Ausschluss von Frauen, den kein Zionist ernsthaft forderte, entschied sich Kafka offenbar spontan. Denn wie das Manuskript zeigt, dachte er zunächst nur an den Ausschluss von Selbstständigen und Verheirateten, korrigierte sich jedoch noch während der Niederschrift dieser Worte.
In der Kafka-
»Franz Kafka, que nous sommes quelques-
[»Franz Kafka, den einige von uns für den größten Seher dieses Jahrhunderts halten, wünschte am Ende seines Lebens, dass es ›Arbeitergemeinschaften von Besitzlosen‹ gäbe, jede von ihnen auf fünfhundert Menschen beschränkt, die sich verpflichteten, kein Geld und keinen Wertgegenstand zu besitzen oder anzunehmen, das einfachste Leben zu führen, nur für einen lebenserhaltenden Lohn zu arbeiten, und doch mit dem Gebot, diese Arbeit gut zu vollenden und sie der Welt als Akt des Vertrauens und des Glaubens anderen gegenüber darzustellen. Was hier von der beruflichen Aktivität im allgemeinen erwartet wird, das müsste man unverzüglich von der intellektuellen Aktivität fordern können.«]